Altersdepression

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Risiken Cannabistherapie
Frau mit Altersdepressionen - Cannabis im Alter

Altersdepression

Ältere Menschen sind trotz ihres Alters anfällig fürdepressive Erkrankungen; Depressionen sind keine normale Alterserscheinung,sondern krankhaft. Die Prävalenz größerer Depressionen im höheren Lebensalter wird weltweit auf knapp20% geschätzt (Jalali et al., 2024). Häufig bestehen bei älteren Betroffenengleichzeitig mehrere körperliche Krankheiten (z. B.Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfall, Parkinson), die depressiven Phasenvorausgehen können oder diese verstärken. Oft verläuft eineDepression wiederkehrend oder chronisch, insbesondere wenn Begleiterkrankungen(z. B. Demenz, chronischeSchmerzen) vorliegen. Ohne Behandlung erhöhen langandauernde depressive Symptome das Risiko für Suizidund Pflegebedürftigkeit im Alter.

 

Erfahrungsberichte von PatientInnen

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Symptome im höheren Alter

Im Alter äußern sich depressive Zustände häufig anders als bei Jüngeren. Betroffene klagen eher über unspezifische körperliche Beschwerden wie anhaltende Müdigkeit, Appetitverlust, Schlafstörungen, Schmerzen oder Schwindel (ÄZQ, 2016).Kognitive Veränderungen wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen werden oft berichtet. Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit stehen weniger im Vordergrund als Antriebsarmut, sozialer Rückzug und eine allgemeine Verlangsamung. Häufig wird daher eine beginnende Demenz vermutet, wenn sich Angehörige und Ärzte sorgen über Gedächtnisprobleme machen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer „depressiven Pseudodemenz“. Ältere Patient:innen berichten zudem eher über diffuse Beschwerden („Alles tut weh“ oder „Ich fühl mich einfachschlapp“), während Schuld- und Suizidgedanken oft weniger offen geäußert werden.

Therapieoptionennach Leitlinien

Leitlinien empfehlen bei älteren Patient:innendieselben Therapieformen wie bei Jüngeren, achten jedoch auf besondere Vorsichtbezüglich Nebenwirkungen. Antidepressiva (z. B.SSRIs wie Sertralin oder Citalopram, SNRI wie Venlafaxin, NaSSA wie Mirtazapin)wirken bei Senioren genauso gut wie bei Jüngeren (ÄZQ,2016). Allerdings sind Ältere empfindlicher gegen Nebenwirkungen (z. B. Schwindel, Blutdruckabfall,anticholinerge Effekte), weshalb häufig mitniedrigerer Anfangsdosis und langsamer Dosistitration behandelt werden sollte .Trizyklische Antidepressiva („Normotimicum“, Amitriptylin) kommen nur inAusnahmefällen infrage, da ihre Nebenwirkungen (Mundtrockenheit, Verwirrtheit,Herzrhythmusstörungen) im Alter oft zu stark belasten. Parallel zurPharmakotherapie wird Psychotherapie (z. B.kognitive Verhaltenstherapie oder Interpersonelle Therapie) dringend. Beischweren Depressionen oder unzureichendem Ansprechen sollte eine Kombinationaus Medikamenten und Psychotherapie angeboten werden. In Einzelfällen (z. B. therapieresistente Depressionoder begleitende Demenz mit starker Agitation) können auchElektrokrampftherapie (EKT) oder stimulierende Maßnahmen(z. B. Lichttherapie,musikgestützte Interventionen) eingesetzt werden.Begleiterkrankungen (Herzinsuffizienz, Schilddrüsenfunktionsstörungen, Nebenwirkungen von Medikamenten) müssen ebenso mitbehandelt werden. RegelmäßigesMonitoring (z. B. mitValidierungsfragebogen wie PHQ-9) hilft, den Therapiefortschritt zu verfolgen.

Cannabis als komplementäre Therapie

Cannabis wird imKontext der Altersdepression als ergänzende Option betrachtet, jedoch nie alsErsatz für bewährte Therapieverfahren. Die Pflanze enthält zahlreicheWirkstoffe (Cannabinoide) wie Δ⁹-Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol(CBD), die auf das körpereigene Endocannabinoid-System wirken. Dieses Systembeeinflusst Stimmung, Schlaf und Appetit. THC ist psychoaktiv und kann inniedriger Dosis entspannend wirken, CBD ist nicht berauschend und hatanxiolytische Effekte. Die positive Betrachtung beruht darauf, dassCannabinoide einen zusätzlichen Weg eröffnen, Symptome zu lindern, etwa indemsie Ängste dämpfen oder den Appetit und Schlaf verbessern, ohne Schwerstarbeitauf Leber oder Nieren zu legen. Dabei gilt das Prinzip „start low – go slow“:Insbesondere bei älteren Patient:innen beginnt man mit sehr kleinenDosierungen, z. B. 1–2,5 mg THCeinmal täglich, und steigert nur langsam nach Verträglichkeit. Geeignete Darreichungsformen sind orale Vollspektrumpräparate (Öle, Kapseln oder Tropfen) undspeziell hergestellte Blüten zum Verdampfen bei Bedarf. Aufschnelles Inhalieren (Rauchen) sollte wegen Lungenbelastung verzichtet werden.Die Dosierung wird individuell an den Patient:innen angepasst: Man sucht diekleinstmögliche wirksame Dosis. Ziel ist keinRausch, sondern symptomatische Linderung (z. B.etwas bessere Stimmung, weniger Grübeln, tiefererSchlaf) bei akzeptablem Nebenwirkungsprofil. Cannabis wird als pragmatische Ergänzung gesehen – also als Teileines Gesamtbehandlungsplans, nicht als alleiniges Heilmittel.

Rolle der Terpene und Entourage-Effekt: Neben denCannabinoiden finden sich in der Cannabispflanze auch zahlreiche Terpene(ätherische Öle) wie Limonen, Myrcen oder β-Caryophyllen. Diese verleihen denSorten ihren typischen Geruch und haben selbst pharmakologische Eigenschaften(z. B. können Limonen stimmungsaufhellend und Myrcen beruhigend wirken).Nach der Entourage-Hypothese können Terpene zusammen mit Cannabinoidendie Wirkung modulieren und Synergieeffekte erzeugen (Russo, 2011). Sopostulieren Forscher, dass etwa β-Caryophyllen über Cannabinoid-Rezeptoren dasNervensystem zusätzlich dämpfen kann. In der Praxis bedeutet dies:Vollspektrum-Extrakte (mit Cannabinoiden und Terpenen) könnten ausgewogenerwirken als isolierte Wirkstoffe. Dieser Entourage-Effekt ist allerdingstheoretisch und noch nicht umfassend in Studien belegt . Dennoch wird er alsmöglicher Vorteil angesehen: Sorten, die reich an bestimmten Terpenen sind,könnten je nach Zusammensetzung unterschiedlich beruhigend, angstlösend oderschmerzlindernd sein.

Vorteile der Cannabistherapie für Lebensqualität und Autonomie

Richtigangewendet kann Cannabis die Lebensqualität älterer Menschen verbessern. Einige Studien berichten über subjektiv besseres Allgemeinbefinden, weniger Schmerzen und mehr Appetit bei bettlägerigen oder sehr betagten Patient:innen (Beedham et al., 2020). Durch milde Stimmungsaufhellung und bessere Schlafqualität fühlen sich manche Senioren ausgeglichener und selbstständiger. Eine geringe Dosis THC vor dem Schlafengehen kann den Nachtschlaf stabilisieren, was tagsüber zu mehr Energie führt. Wenn Cannabis hilft, Angst oder Schmerzen zu mildern, gewinnen Betroffene oft an Selbstvertrauen und Beweglichkeit – das fördert ihre Autonomie im Alltag. Wichtig ist, dass die gesteigerte Lebensqualität realistisch beschrieben wird: Cannabis kann kleine Alltagsbeschwerden lindern, ist aber kein Wundermittel. Die psychologische Wirkung – das Gefühl, aktivetwas für die eigene Gesundheit zu tun – kann ebenfalls motivierend wirken. Durch eine Entlastung von quälenden Symptomen kann die soziale Teilhabe steigen(beispielsweise wieder häufiger Besuche empfangen oder Aktivitäten aufnehmen).

Vorteile für Pflege und Ärzt:innen

In Pflegesituationen und für behandelnde Ärzt:innen kann eine erfolgreiche Cannabistherapie Erleichterung bringen. Oft führt die ergänzende Medikation zu einer Verringerung der Polypharmazie: Werden z. B. durch Cannabis Schmerzen oder Unruhe besser kontrolliert, können andere Schmerz- oder Sedativa-Medikamente reduziert werden. Dies senkt das Risiko weiterer Nebenwirkungen und Medikamenteninteraktionen. Inder Regel ist Cannabis als Wirkstoff gut vorhersagbar dosierbar (besonders in standardisierten Extrakten), wodurch Pflegeprozesse planbarer werden. Eine vereinfachte Medikation verbessert die Compliance älterer Patient:innen –weniger Tabletten und verbesserte Symptomkontrolle fördern die Akzeptanz. Darüber hinaus berichten einige Pflegekräfte, dass Patient:innen mit leichten Cannabistherapien ausgeglichener und kooperativer sind, was den Pflegealltagerleichtert und die Qualität der Pflege erhöht. Insgesamt ermöglicht eine durchdachte Cannabinoidbehandlung ggf. einen zurückhaltenderen Einsatz potenter Schmerz- oder Beruhigungsmittel, wodurch unerwünschte Effekte (z. B. Atemdepression oder Delir) seltener werden. Durch verbesserte Symptomkontrolle können Arztbesuche und Medikamentenumstellungen reduziert werden, was Ressourcen spart und Zeit für eine qualitative Pflege schafft.

Risiken der Cannabistherapie

Trotz Potenzial istVorsicht geboten. Mögliche Nebenwirkungen sind insbesondere Schwindel, Müdigkeit, Benommenheit oder sogar Verwirrtheit (besonders bei hohemTHC-Anteil). Dies erhöht das Sturzrisiko bei älteren Menschen. Auch Symptome wie Mundtrockenheit, Herzrasen oder Blutdruckabfall können auftreten. Hohe Dosen THC können paradoxerweise Ängste oder Unruhe auslösen. Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen sind möglich und sollten ernst genommen werden (Beedhamet al., 2020). Es gibt Wechselwirkungen mit vielen Medikamenten: Cannabinoide werden über das Cytochrom-P450-System verstoffwechselt. So kann CBD zum Beispiel den Blutspiegel von Antidepressiva wie Citalopram erhöhen (Jia Yi Hoet al., 2024).Ein Beispiel ist die Kombination CBD–Warfarin: Unter CBD stieg bei Patient:innen der INR-Wert stark an. Weitere Interaktionen sind mit Antiepileptika, Immunsuppressiva oder Opiaten beschrieben. Daher sind enge Kontrollen wichtig: Regelmäßige Laborwerte (z. B. Gerinnungswerte, Leberwerte), Blutdruck- und Herzfrequenzkontrollen sowie anticholinerge Belastungen sollten überwacht werden. Typische Kontraindikationen sind akute Psychosen, schwere Herz-Kreislauf-Erkrankungen (instabile Angina, schwere Herzinsuffizienz), akute Nierenschwäche oder aktive Substanzabhängigkeit. Auch bei ausgeprägter Demenz ist die Einnahme vorsichtig abzuwägen. Ein interdisziplinäres Monitoring durch behandelnden Arzt, fachlicher Begleitung und Apothekerin ist unerlässlich, um Wechselwirkungen früh zu erkennenund die Dosis personalisiert anzupassen.

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Quellen

Quellverzeichnis

1. ÄrztlichesZentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ) (Hrsg.) (2016). Patient:innenleitliniezur S3-Leitlinie/Nationalen VersorgungsLeitlinie Unipolare Depression (2.Aufl., Version 2). Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin im Auftragvon Bundesärztekammer, KBV und AWMF. DOI: 10.6101/AZQ/000368 AWMF Leitlinienregister

2. Beedham,W., Sbai, M., Allison, I., Coary, R. & Shipway, D. (2020). Cannabinoidsin the Older Person: A Literature Review. Geriatrics (Basel), 5 (1), 2.https://doi.org/10.3390/geriatrics5010002 PubMedMDPI

3. Ho,J. J. Y., Goh, C., Leong, C. S. A., Ng, K. Y. & Bakhtiar, A. (2024). Evaluationof potential drug–drug interactions with medical cannabis. Clinical andTranslational Science, 17 (5), e13812. https://doi.org/10.1111/cts.13812 PMC

4. Jalali,A., Ziapour, A., Karimi, Z., Rezaei, M., Emami, B., Pourmirza Kalhori, R.,Khosravi, F., Sameni, J. S. & Kazeminia, M. (2024). Global prevalence ofdepression, anxiety, and stress in the elderly population: a systematic reviewand meta-analysis. BMC Geriatrics, 24, 809.https://doi.org/10.1186/s12877-024-05311-8 DeutscheNationalbibliothek

5. Russo,E. B. (2011). Taming THC: potential cannabis synergy andphytocannabinoid-terpenoid entourage effects. British Journal ofPharmacology, 163 (7), 1344–1364.https://doi.org/10.1111/j.1476-5381.2011.01238.x frontiersin.org