Mein langer Weg durch Schmerz und Hoffnung
Mein Name ist Stefan. Ich lebe in der Gemeinde Wachtberg, habe ein Haus, ein großes Grundstück, zwei alte Traktoren und ein fünfjähriges Enkelkind. Mein Leben klingt idyllisch, doch über viele Jahre war es geprägt von starken chronischen Rückenschmerzen. Nach mehreren Bandscheibenvorfällen, unzähligen Arztbesuchen, Operationen und einer langen Zeit voller Einschränkungen hatte ich die Hoffnung auf eine echte Besserung fast aufgegeben. Erst die Therapie mit Medizinalcannabis hat mir einen neuen Weg eröffnet. In diesem Bericht erzähle ich offen und ehrlich, wie ich mit Cannabis im Alter wieder Lebensqualität zurückgewinnen konnte.
Der Beginn: Rückenschmerzen, Operationen und ein Alltag voller Einschränkungen
Alles begann mit Schmerzen im unteren Rücken. Es war kein gewöhnlicher Schmerz, sondern ein stechender, ausstrahlender Schmerz, der von der Pobacke bis in den kleinen Zeh zog. Ich konnte zeitweise kaum noch laufen, musste im Stehen essen, weil Sitzen zu schmerzhaft war, und oft lag ich stundenlang einfach nur auf dem Rücken. Mein Alltag war geprägt von Einschränkungen. Selbst einfache Dinge wie Flaschen öffnen oder ein Buch halten wurden zur Herausforderung.
Die Ärzte schickten mich von Praxis zu Praxis, von Klinik zu Klinik. Ich war im Wirbelsäulenzentrum in Köln, wurde operiert, bekam Reha und immer wieder neue Medikamente verschrieben. Nach einer Operation hatte ich sogar Inkontinenz – ich merkte nicht einmal mehr, wenn ich Wasser ließ. Glücklicherweise verschwand das mit der Zeit wieder, aber die Angst vor weiteren Komplikationen blieb.
Die Schmerzen blieben mein ständiger Begleiter. Nach einer weiteren Operation kam ich wieder in die Reha, doch die Schmerzen waren immer noch da. Ich konnte nur schräg laufen, kaum richtig gehen. Es war, als würde mein Körper mich komplett im Stich lassen. Ich fühlte mich hilflos und ausgeliefert.
Alltag mit starken Schmerzmitteln: Benommenheit, Abhängigkeit und Isolation
Die Schmerztherapie bestand lange Zeit vor allem aus Opiaten und anderen starken Medikamenten. Ich bekam Tabletten, die mich benommen machten. Mein Kopf war wie in Watte gepackt. Ich hatte Momente, in denen ich mich selbst nicht wiedererkannte – war gereizt, antriebslos und oft einfach nicht mehr ich selbst. Die Nebenwirkungen waren gravierend: Ich fühlte mich abhängig, hatte Angst vor Kontrollverlust und zog mich immer mehr zurück.
Mit der Zeit wurde mein Alltag immer eingeschränkter. Ich konnte keine Flaschen mehr öffnen, keine Bücher mehr halten, geschweige denn lesen. Selbst das Aufstehen morgens war eine Qual. Meine Frau und meine Familie litten mit – sie sahen, wie ich mich veränderte, wie ich immer mehr Lebensfreude verlor. Mein Privatleben war zwar äußerlich in Ordnung – Haus, Grundstück, Hobbys, ein Enkelkind –, aber innerlich war ich weit entfernt von einem erfüllten Leben.
Der Wendepunkt: Die Suche nach Alternativen
Irgendwann fragte ich mich: Soll das wirklich alles gewesen sein? Muss ich mich mit Schmerzen und Nebenwirkungen abfinden? Ich begann, mich zu informieren – las Erfahrungsberichte, sprach mit anderen Patienten und stieß schließlich auf das Thema Medizinalcannabis. Ehrlich gesagt hatte ich Vorurteile: Cannabis war für mich immer eine Droge gewesen, nichts, was ich als seriöse Therapieform gesehen hätte.
Doch mein Leidensdruck war groß. Und als ich hörte, dass andere Patienten mit ähnlichen Beschwerden gute Erfahrungen gemacht hatten, wurde ich neugierig. Ich sprach meinen Schmerztherapeuten darauf an. Nach einigen Gesprächen und einer genauen medizinischen Abklärung entschied ich mich, es zu versuchen. Im August 2019 begann ich mit Dronabinol-Tropfen.
Der Start der Cannabistherapie: Skepsis und erste Erfahrungen
Anfangs war ich skeptisch. Ich hatte Sorge vor neuen Nebenwirkungen oder gar Abhängigkeit. Doch mein Arzt erklärte mir alles genau: Die Dosierung sollte langsam gesteigert werden, damit mein Körper sich daran gewöhnen kann. Ich nahm die Tropfen morgens und abends, immer zur gleichen Zeit.
Schon nach wenigen Tagen bemerkte ich eine Veränderung. Die Schmerzen waren nicht weg – aber sie wurden deutlich erträglicher. Das Gefühl, ständig unter einem Schleier zu leben, verschwand. Ich war wacher, konnte mich besser konzentrieren und wieder aktiv am Leben teilnehmen. Besonders beeindruckend war für mich: Ich konnte alle anderen Schmerzmittel absetzen. Seit Beginn der Cannabistherapie habe ich keine Opiate mehr genommen.
Mehr Lebensqualität: Wieder aktiv im Alltag
Mit der Zeit kehrte mein Alltag zurück. Ich stehe morgens um halb sechs auf, wie früher. Ich bin viel draußen, mache Gartenarbeit, fahre Fahrrad und genieße die Natur. Sogar kleine Reisen sind wieder möglich – wir fahren regelmäßig nach Oberstdorf, besuchen Freunde und genießen die Landschaft. Wandern ist wegen meines Rückens zwar nicht mehr möglich, aber Radfahren und draußen sein geben mir viel zurück.
Auch im Haushalt bin ich wieder aktiver. Ich kann Flaschen öffnen, Bücher halten und lesen, ohne dass mir die Kraft fehlt oder ich Schmerzen bekomme. Selbst das Kaminholz machen, eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, ist wieder Teil meines Lebens. Ich fühle mich endlich wieder wie ich selbst.
Alltagserleichterungen durch Cannabis: Kleine Dinge, große Wirkung
Was für viele selbstverständlich ist, war für mich lange Zeit unmöglich: Flaschen zu öffnen, ein Buch festzuhalten, mit beiden Händen zuzugreifen. Durch die Cannabistherapie sind diese Alltagsdinge wieder möglich geworden. Ich kann wieder mit zehn Fingern tippen, ohne dass meine Hände verkrampfen. Früher war es mir unmöglich, längere Texte am Computer zu schreiben, weil ich ständig Fehler machte oder Buchstaben fehlten. Jetzt geht das wieder.
Auch das Lesen ist zurückgekehrt. Ich war immer ein Wechselleser – mal Buch, mal eBook. In der schlimmsten Zeit konnte ich nur noch eBooks lesen, weil ich das Gerät kaum halten musste. Heute kann ich wieder Bücher in der Hand halten, mich auf den Text konzentrieren und genießen, was ich lese.
Umgang mit Vorurteilen: Offenheit und Akzeptanz
Natürlich gab es in meinem Umfeld Fragen. Manche Bekannte witzelten, ob ich jetzt „im Club“ sei oder „kiffen“ würde. Doch solche Sprüche nehme ich mit Humor. Für mich ist Cannabis ein Medikament, kein Rauschmittel. Ich nehme die Tropfen morgens und abends, zu Hause, ganz selbstverständlich.
Insgesamt habe ich kaum negative Reaktionen erlebt. Vielleicht liegt es daran, dass ich offen damit umgehe und bereit bin, Fragen ehrlich zu beantworten. Ich glaube, die gesellschaftliche Akzeptanz wächst – vor allem, wenn Menschen sehen, wie sehr sich meine Lebensqualität verbessert hat.
Erfahrungen im sozialen Umfeld und mit anderen Betroffenen
In Gesprächen mit anderen Menschen, zum Beispiel in der Reha, habe ich viele getroffen, die ebenfalls unter chronischen Schmerzen leiden. Ich habe ihnen von meinen Erfahrungen mit Cannabis erzählt und sie ermutigt, sich zu informieren. Einige hatten Angst vor Abhängigkeit oder davor, „sediert“ zu sein. Ich kann nur sagen: Diese Angst ist unbegründet. Ich habe keine Nebenwirkungen, fühle mich nicht abhängig und kann meinen Alltag ganz normal gestalten.
Meine Großtante zum Beispiel hat Schlafprobleme. Ihr wurde ebenfalls Cannabis empfohlen, aber sie hat Angst vor Abhängigkeit. Ich habe ihr versucht, die Angst zu nehmen, denn meine Erfahrung ist durchweg positiv. Aber jeder Mensch ist anders, und jeder muss seinen eigenen Weg finden.
Tipps für andere Betroffene: Offenheit, Geduld und gute Begleitung
Aus meiner Erfahrung kann ich anderen älteren Menschen nur raten, sich offen und unvoreingenommen über Medizinalcannabis zu informieren. Wichtig ist, die Therapie in einer ruhigen Phase zu beginnen – zum Beispiel während einer Krankschreibung oder im Urlaub. So kann man die Wirkung besser beobachten und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig erkennen.
Die Zusammenarbeit mit dem Arzt ist entscheidend. Es braucht regelmäßige Kontrolltermine, eine individuelle Dosierung und die Bereitschaft, offen über alle Veränderungen zu sprechen. Auch der Austausch mit anderen Betroffenen – in Selbsthilfegruppen oder online – kann sehr hilfreich sein.
Die Rolle der Familie: Unterstützung und Verständnis
Meine Familie hat mich auf meinem Weg immer unterstützt. Sie hat gesehen, wie sehr ich unter den Schmerzen und den Nebenwirkungen der Opiate gelitten habe. Die Veränderung seit Beginn der Cannabistherapie ist auch für sie spürbar. Ich bin wieder geselliger, aktiver und habe mehr Freude am Leben. Das gemeinsame Frühstück, Gespräche und kleine Ausflüge – all das ist wieder möglich.
Gesellschaftlicher Wandel: Mehr Akzeptanz für Cannabis im Alter
Ich wünsche mir, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von Medizinalcannabis weiter wächst. Noch immer gibt es viele Vorurteile, vor allem bei älteren Menschen. Doch meine Erfahrung zeigt: Cannabis ist kein Wundermittel, aber eine echte Chance auf mehr Lebensqualität – gerade im Alter. Ich hoffe, mein Bericht macht anderen Mut, offen für neue Therapieformen zu sein und gemeinsam mit dem Arzt die beste Lösung zu finden.
Rückblick: Dankbarkeit für ein neues Lebensgefühl
Rückblickend bin ich dankbar, dass ich den Schritt zur Cannabistherapie gewagt habe. Die Schmerzen sind nicht komplett verschwunden, aber sie bestimmen nicht mehr mein Leben. Ich habe meine Selbstständigkeit zurückgewonnen, kann meinen Alltag aktiv gestalten und wieder Freude empfinden. Für mich ist das die größte Errungenschaft.
Ich kann nur empfehlen: Informieren Sie sich, sprechen Sie offen mit Ihrem Arzt und lassen Sie sich nicht von Vorurteilen abschrecken. Medizinalcannabis ist kein Allheilmittel, aber für viele ältere Menschen eine echte Chance auf mehr Lebensqualität.